Wenn die Tage kürzer werden, die Dunkelheit größeren Raum einnimmt, werden viele Menschen auch an die dunklen Seiten in ihrem eigenen Leben erinnert. Gedanken über Tod und Ewigkeit, über die eigene Endlichkeit stellen sich ein. In kirchlichen und weltlichen Feiertagen gedenkt man der Toten. Brauchtum, Texte und Lieder setzen sich mit diesen Gedanken auseinander, nehmen die existenziellen Ängste und Nöte der Menschen auf, verweisen zugleich auf das, was trotzdem trägt und Hoffnung für das Leben gibt. In diesem Konzert werden Texte und Musiken erklingen, die zeigen, wie Menschen in unterschiedlichen Zeiten sich schöpferisch mit diesen existenziellen Fragen auseinandersetzen.

Konzert am 15. November ab 20:00 Uhr in Peter und Paul

1. De profundis
Gregorianischer Choral
(Sansibel)

De profundis clamavi ad te, Domine. Aus der Tiefe, Herr, rufe ich zu dir. Das sind die Anfangsworte des 130. Psalms, der zu den Bußpsalmen und Totengebeten der Katholischen Kirche zählt. Gregorianische Choräle sind gesungene Gebete, die Lob Gottes, Freude, aber auch Bitte und Klage zum Klingen bringen. Die vom Chor ausgeführten Gesänge sind durch eine einfache Melodieführung gekennzeichnet, die in kleinen Intervallen voranschreitet und große Sprünge vermeidet. Kleine Verzierungen durchsetzen die Melodie. Die Gregorianik ist die älteste lebendig gebliebene musikalische Kunstform in der Geschichte des Abendlandes.

2. Popule meus
Giovanni Pierluigi da Palestrina (1525 – 1594)
(Klangforum Marburg und Sansibel)

Die Improperien oder Heilandsanklagen haben seit dem frühen Mittelalter ihren Platz in der Liturgie des Karfreitags zur Verehrung des Kreuzes. Zugrunde liegen ihnen alttestamentarische Texte (aus Micha 6.) die Jesus in den Mundgelegt werden. Sie leben aus der Spannung zwischen Klagen und Lobpreis.

Palestrina stellt einen Höhepunkt der katholischen Kirchenmusik am Ende der Renaissance dar. Seine Musik wurde zum Inbegriff der klassischen Vokalpolyphonie. Sie vereinte große Textverständlichkeit bei aller polyphonen Entfaltung und einen feierlichen Klang.

3. Misrere mei
Henry Purcell (1659-1695)
(Klangforum Marburg)

Schon zu seinen Lebzeiten galt Henry Purcell als bedeutendster englischer Komponist und gilt als repräsentativster Vertreter der englischen Barockmusik. Neben seinem umfangreichen dramatischen Werk schuf er eine Vielzahl kirchlicher Kompositionen, die von seinen Zeitgenossen und Nachfolgern bis in die Gegenwart geschätzt werden.

Purcells Misere mei – erbarme dich ist in Anlehnung an den 51. Psalm geschrieben. Auch dieser sogenannte Bußpsalm setzt sich mit der Frage der Schuld auseinander.  Er ist Teil der Gründonnerstags- und Karfreitagsliturgie und fasziniert seit jeher die Gläubigen, von denen sich von der Renaissance bis zur Gegenwart einige musikalisch mit ihm auseinandersetzten. So auch Henry Purcell, der diesen Kanon für vier Stimmen im Jahr 1694 komponierte.

4. If ye love me
Thomas Tallis (1505-1585)
(Sansibel)

Eine Folge der Reformation bestand darin, dass Kirchengesänge immer öfter in der Landessprache vorgetragen wurden. Dies war nicht nur im Luthertum der Fall, sondern auch in der anglikanischen Kirche. Eine der wichtigen Figuren am Beginn dieses Prozesses war der junge Hofkomponist und -organist Thomas Tallis. Er forderte einen einfachen Stil und hat in dieser Weise auch einige Werke gesetzt. Darunter das auf das berühmte Jesus-Wort aus dem Johannesevangelium zurückgehende If ye love me—Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.

5. Thou knowest Lord
Henry Purcell (1659 – 1695)
(Klangforum Marburg)

Als die englische Königin Mary II. 1694 stirbt, stellt Purcell für sie eine Funeral Music zusammen, über deren Wirkung der Bericht eines Trauergastes überliefert ist: “Ich wende mich an all diejenigen, die anwesend waren…ob sie wohl jemals etwas so hinreißend Schönes, Feierliches und Himmlisches gehört haben?“ Der letzte Choral Thou knowest Lord wurde ein Jahr später erneut gesungen, als der Komponist im Alter von nur 36 Jahren verstarb. Die Texte stammen aus dem Common Prayer Book und aus dem Alten Testament (Buch Hiob 14.1-2)

6. ORGEL

7. Ave verum corpus
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
(Klangforum Marburg)

Die Motette Ave verum corpus ist ein Musterbeispiel für die unmittelbare Wirkung von Musik: eine Komposition, die mit wenigen Takten eine Aura des Friedens verströmt. Das Ave verum ist neben der Zauberflöte und dem Requiem eines von Mozarts letzten Werken, komponiert in seinem Todesjahr 1791. Der Text, eine lateinische Sequenz aus dem 13. Jahrhundert, beschreibt den Erlösungstod Jesu Christ. „Das Ave verum ist ein direkt an die Herzen der Menschen gerichtetes, Musik gewordenes Gebet.“ (Peter Dijkstra)

8. Ave verum corpus
Camille Saint Saëns (1835-1921)
(Sansibel)

Neben Mozart haben weitere Komponisten das Ave Verum vertont. Camille Saint-Saens hat den Text insgesamt sechs Mal vertont. Seine romantische Komposition des alten liturgischen Textes ist von sanfter Melodik und eleganter Harmonik geprägt. Dieses Ave Verum war zu seinen Lebzeiten seine berühmteste Motette.

9. In Monte Oliveti
(WAB 17)Anton Bruckner (1824-1896)
(Vorgetragen vom Chor Klangforum)

10. Libera me
(WAB 21) Anton Bruckner (1824-1896) 
(Sansibel)

Im Schaffen Anton Bruckners sind seine Werke für Chor ein „Basso Continuum“. Insgesamt hat er 86 weltliche und geistliche Chorwerke geschaffen.

Die Motette In Monte Oliveti komponierte er um 1848 zur Feier des Gründonnerstages. Sie beschreibt, wie Jesus am Ölberg zum Vater betet: „Herr, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen – aber nicht mein Wille geschehe, sondern deiner.“

Bruckners tiefer Glaube und seine Verwurzelung in der katholischen Liturgie ließen ihn zeitlebens auch kleinere Formen geistlicher Musik schreiben, die ihren Platz im Gottesdienst oder in geistlichen Konzerten finden. Die um 1843 entstandene Motette ist die zweite Vertonung des Libera me. Der Text greift die Angst des Menschen vor dem Endgericht auf. Damit verbunden ist die Bitte um Befreiung vom ewigen Tod, dem Weltuntergang und dem Zorn Gottes am Tag des Gerichts. Das Libera me schließt mit der Bitte um die ewige Ruhe im göttlichen Licht.

11. Wirf dein Anliegen auf den Herrn
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)
(Sansibel)

12. Wer bis an das Ende beharrt
Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)
(Klangforum Marburg)

Felix Mendelssohn-Bartholdy schildert in seinem berühmtesten Oratorium Elias das Leben und Wirken des biblischen Propheten Elias bis hin zu seiner Himmelfahrt. Dazu stellte er weitestgehend selbständig Texte aus dem Alten Testament zusammen, die in ihrer Bedeutung weit über die Begleitung der Handlung hinausgehen. In diesem Oratorium verzichtet er bewusst auf Choräle, gleichwohl nutzte er den „Choralton“ um manche Stellen in ihrer Aussage zu überhöhen. So sind die beiden Stücke keine echten Choräle, haben aber symbolische Strahlkraft und sind zugleich Ausdruck seiner tiefen Religiosität.

13. Orgel

14. Ubi Caritas
Maurice Duruflé (1902-1986)
(Sansibel)

15. Ubi Caritas
Audrey Snyder (* 1953)
(Klangforum Marburg)

Der französische Komponist und Organist Maurice Duruflé, ein Schüler von Louis Vierne, schrieb die Motette 1960 als die erste der vier Motetten Opus 10.

Die amerikanische Komponistin und Arrangeurin zählt heute zu den besten Chorautor*innen, deren Werk ein breites Spektrum von mittelalterlicher bis aktueller Pop-Music abdeckt.

Die beiden Motetten vertonen einen mittelalterlichen Text, der sich an den 1. Johannesbrief anlehnt „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“ In einem einfachen, aber ergreifenden Latein fordert der Text des Hymnus zu den beiden Formen der christlichen Liebe auf: der Gottes- und der Nächstenliebe.

16. Miserere
Gregorio Allgeri (1582-1652)
(Klangforum Marburg und Sansibel)

Das Miserere mei Deus – Erbarme dich meiner, o Herr ist ein besonderes Stück.  Legenden ranken sich um die 1627 geschriebene Vertonung des 51. Psalms von Gregorio Allegri, dem römischen Priester, Komponisten und Sänger der päpstlichen Kapelle. Jahrzehntelang durfte es ausschließlich in der Karwoche in der Sixtinischen Kapelle gesungen werden. Die Noten durften die Kapelle nicht verlassen. Bis im Jahr 1770 ein 14-jähriges Wunderkind den päpstlichen Bann umging, und das Stück nach der Aufführung aus dem Gedächtnis notierte, wie Vater Leopold Mozart stolz berichtete:“…allein wir haben es schon. Der Wolfgang hat es schon aufgeschrieben, und wir werden es mit nach Hause bringen […]“. Dies ist nicht der Beginn, aber sicher der Höhepunkt der Legendenbildung um Allegris Komposition.

Der Psalm 51 zählt zu den so genannten sieben Bußpsalmen, die sich alle mit dem Thema Schuld auseinandersetzen. Als Autor dieser Psalmen gilt König David, ein Mann, der Schuld auf sich geladen, getötet hatte und ein Ehebrecher war. Der Psalm ist Teil des Stundengebets, des Totenoffiziums und wird Jahr für Jahr am Gründonnerstag, am Karfreitag wie auch am Karsamstag verwendet.

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